Höhen im Grenzverlauf vor Kauf Grundstück verändert

4,80 Stern(e) 5 Votes
C

cille

Hallo Forum,

wir stehen vor folgendem Problem:
Unser Grundstück haben wir im April 2013 gekauft, ab Oktober 2013 bebaut. Nun sollte es an die Außenanlage ran gehen, dafür haben wir auch noch mal einen separaten Bauantrag stellen müssen, da wir mehr aufschütten, als in Hessen ohne Baugenehmigung erlaubt ist - die Terrasse haben wir auch gleich mit eingereicht.
Unser Grundstück ist Teil eines etwa 150 Parzellen umfassenden Neubaugebietes, welches durch eine Grundstückserschliessungsgesellschaft erschlossen wurde. Vorher standen hier ein paar Hochhäuser, diese wurden teilweise geschreddert und das Material wurde mit für die Gelände-Modellierung verwendet. Das Grundstück liegt am Hang, vorne Straße, fällt nach hinten links ab, ca. 2m auf 25m Länge. Es gibt auch einen Bauantrag, in dem sich die Grundstückserschliessungsgesellschaft die Modellierung (einschl. neuer Höhen) genehmigen lassen hat. Unsere hinteren Nachbarn haben vor uns angefangen zu bauen, da hatten wir noch nicht mal das Grundstück gekauft. Zu unserm Bauantrag des Hauses, haben wir natürlich auch eine Vermessung vornehmen lassen. Da kam dann raus, dass die Höhen an den Grenzen "kaputt" waren, oder zumindest abwichen zu dem Bauantrag der Grundstückserschliessungsgesellschaft - teilweise um 60cm. Wir dachten zum damaligen Zeitpunkt, da hat der Tiefbauer von den Nachbarn wohl ein bisschen mehr in den Hang gegraben, macht ja erst mal nichts - reparieren wir später.

Jetzt wollten wir wie gesagt die Außenanlage angehen und haben, in Absprache mit dem Bauamt, auf Basis des Höhenmodels der Grundstückserschliessungsgesellschaft die Grenzbebauung geplant und eingereicht. Geplant sind L-Stein um unser Grundstück etwas zu glätten. Der Bauantrag wurde auch genehmigt - erst einmal.

Nun haben wir ein Schreiben vom Bauamt bekommen, darin heißt es, einer unserer Nachbarn hat Einspruch gegen den Bauantrag eingelegt. Er argumentiert mit seiner Vermessung und Bildern, dass die Grundstückserschliessungsgesellschaft im Grenzbereich gar nicht soviel aufgeschüttet hat, wie sie sich es genehmigt lassen haben, und dass die Höhe aus seiner Vermessung nun die Maßgebliche Höhe ist...

Das Bauamt will nun den Bauantrag wieder einkassieren!

Nun kommts:

Das komische an dem ganzen ist, dass die Vermessung des zweiten Nachbarn (wir drei Zeilen uns einen Grenzpunkt) aber den Höhenplan der Grundstückserschliessungsgesellschaft bestätigt - und diese Vermessung war zwei-drei Wochen vorher. Zudem hat der streitlustige Nachbar Fotos beigelegt, auf denen man schön die Geländeoberfläche sehen kann, die kurz vorher scheinbar bearbeitet wurde (Frost auf unbearbeitetem Nachbargrundstück und sein Grundstück glatt wie Baby-Popo und ohne Frost, man sieht sogar glatten Boden der entsteht wenn eine Baggerschaufel den Boden abträgt).

Wir also zum Bauamt und gesagt, er hat den Boden und unseren Grenzverlauf ohne Genehmigung verändert und erst dann die Fotos und seine Vermessung gemacht. Bauamt kann da aber nichts machen, Vermessung zeigt eine Höhe, nach der müssen sie sich richten...

Nun stehen wir vor folgenden Fragen:
1) Hat das genehmigte Geländemodell der Grundstückserschliessungsgesellschaft nur einen "Kann"-Charakter, also musste die Grundstückserschliessungsgesellschaft nicht bis zu einer bestimmten Höhe auffüllen?

2) Kann das Bauamt den Bauantrag einfach so wieder einkassieren? Dem Bauamt lagen ja alle relevanten Unterlagen schon vor. Die Vermessung aus unserem Hausbau hat ja die kaputten Höhen schon gezeigt und wir haben mit denen ja explizit besprochen, dass wir den Bauantrag nicht auf den kaputten Höhen, sondern auf den Höhen der Grundstückserschliessungsgesellschaft einreichen werden. DIe können jetzt doch nicht sagen, äh doch nicht, die alten kaputten Höhen zählen doch...?!

3) Kann ich die Höhe des vermessenen Grenzpunktes vom Nachbar 2 (der vorher vermessen hat) auch für mich beanspruchen? Zu dem Zeitpunkt war das Gelände noch so, wie geplant, nach Vermessung des streitlustigen Nachbarn war auch der Punkt 60cm tiefer.

4) Habe ich irgendwelche rechtlichen Möglichkeiten, die Grundstückserschliessungsgesellschaft in Regress zu nehmen, wenn sie wirklich nicht das Grundstück so hergestellt haben, wie sie das eingereicht haben?

5) Kann ich Nacherfüllung verlangen, also die Höhe so herstellen, wie sie ja eigentlich schon beantragt und genehmigt wurde?

6) Es ist sehr wahrscheinlich, dass die Grundstückserschliessungsgesellschaft das Gelände so hergestellt hat, wie genehmigt (zeigt die Vermessung des Nachbarn 2). Ich muss es aber nun beweisen, dass der streitlustige ohne Genehmigung gegraben hat. Gibt es da nicht irgendwelche Schutzmechanismen, so wie Vertrauensschutz?

7) Wie groß ist denn die Chance, wenn ich den Rechtsweg bestreite, anhand der Bilder zu beweisen, dass da gegraben wurde?!

Danke schon mal für's lesen
Stefan
 
D

DG

Hallo Stefan,

das Bauamt macht es sich viel zu einfach, die sind selbstverständlich befugt und auch verpflichtet, die jeweiligen Bauanträge auf ihre Richtigkeit zu überprüfen. Grundsätzlich gilt erst mal die genehmigte Höhe der Grundstückserschliessungsgesellschaft als Planungshöhe resp. ursprüngliche Geländehöhe für alle weiteren Genehmigungen/Bauvorhaben.

Die Grundstückserschliessungsgesellschaft war möglicherweise auch verpflichtet, die fertigen Geländehöhen ggü. der Stadt durch einen unabhängigen Vermesser nachzuweisen. Wenn es eine solche Dokumentation gibt, sollte diese sowohl über die Grundstückserschliessungsgesellschaft als auch über das Bauamt zu bekommen sein. Falls nicht, müsste man davon ausgehen, dass das Bauamt die Höhen wie geplant entweder als gegeben (mit gewissen Toleranzen) annimmt oder selbst stichprobenartig überprüft hat.

Grundsätzlich kann man alle umliegenden bzw. im Gebiet befindlichen Bauanträge zur Überprüfung heranziehen. Wenn es im ganzen Gebiet nur geringe Abweichungen zwischen Grundstückserschliessungsgesellschaft und den diskreten Bauanträgen gibt, ausgerechnet aber Dein Nachbar 60cm mehr/weniger aufzubieten hat und obendrein Fotos davon existieren, sollte der Fall klar sein.

Du wirst aber - basierend auf der bisherigen ablehnenden Haltung des Bauamts - ohne fremde Hilfe vermutlich nicht weiterkommen.

Erster Schritt wäre also die Frage an die Grundstückserschliessungsgesellschaft , ob es eine Dokumentation der abschließenden Höhenveränderung gibt und dann der Gang zu (D)einem ÖbVI in Hessen. Dieser kann sich sämtliche Höhenpläne von Belang vom Bauamt besorgen und das ganze dann ggflls. in Kombination mit (D)einem Architekten so aufbereiten, dass das Bauamt dazu Stellung beziehen muss.

Nach Deiner Beschreibung glaube ich auch, dass sich Dein Nachbar ordentlich selbst ins Knie geschossen hat, aber manche sind eben so dreist und versuchen das. Klingt aber auch so, dass man nicht auf gegenseitiges Einvernehmen hoffen kann, insofern richte Dich schon mal geistig darauf ein, dass das a) dauern und b) auch gut vor Gericht landen kann.

Ich glaube aber, dass man das relativ gut rekonstruieren kann und daher auch den Nachweis führen kann, wer im Recht ist.

MfG
Dirk Grafe
 
D

DG

Otus hat Recht, es geht um Geschwindigkeit und ich teile seine Ansicht, dass es (schnell) ungemütlich werden kann.

Es gibt aber noch eine Chance, dass man die Behörde auf Widersprüche aufmerksam macht, bevor die über den Antrag des Nachbarn entscheidet - wenn ich es richtig interpretiere, hat die Behörde bisher nur durchblicken lassen, in welche Richtung es geht, aber noch nicht entschieden.

Nehmen wir mal an, Du wärst mein Kunde und ich hätte einen guten Draht zu dem Architekten, der Dein BV betreut hat. Dann würde ich mir den Schriftverkehr des Nachbarn besorgen, die Pläne des Gebäudeenergiegesetz dazu, Dein Bauantrag läge vor, die Höhenangaben/Bauanträge der umliegenden Nachbarn könnte man in Zusammenarbeit relativ schnell zusammentragen (womöglich lag sowieso alles vor und wurde für Deinen Bauantrag genutzt!?) ... und wenn alles auf dem Tisch liegt, kann man das relativ schnell so aufbereiten, dass das Bauamt in die richtige Richtung prüft.

Das hält sich finanziell definitiv im Rahmen, Dein Vermesser sowie Architekt sollten Dir an der Stelle sowieso schnell helfen, schließlich stellst Du bzw. Dein Architekt ja einen aktuellen Bauantrag für die Anfüllung - die Ablehnung durch das Bauamt sollten beide im Verbund substanziell angreifen können, wenn Deine hier getätigten Einlassungen stimmen.

Der Groschen muss beim Bauamt nur möglichst schnell fallen, denn wenn solche Sachen vor Gericht laufen, dauert's nicht nur, sondern dann kosten die Gutachter (und das werden öffentlich bestellte Vermessungsingenieure und/oder Architekten sein, also genau die Leute, die Du sowieso an der Angel hast), ein Vielfaches von dem, was man jetzt etwaig zusätzlich investieren müsste.

Grobe Kostenkalkulation, nur damit Du mal einen Überblick bekommst:

Die Situation jetzt beurteilen aus Sicht Vermesser, nach Stundensatz, gesamt: ganz sicher unter 500€ netto.

Bekäme ich den Fall als Gutachter auf den Tisch würden vom Gericht sicher ~1500€ vorgeschlagen, ich würde das auf mindestens 2T€ hochschrauben, bevor ich das überhaupt annehme und könnte dann ohne Nachverhandlung mit dem Gericht bis zu 20% über dem vereinbarten Preis abrechnen, wenn der entsprechende Aufwand dokumentiert wird, ergo: €2400.- (brutto)

Wer das dann am Ende zahlt, entscheidet natürlich der Richter, aber wenn man nur die Kosten eines 50:50-Vergleichs ansetzt, dann lohnt es sich schon, für gute 1000€ mal ein paar Telefonate zu führen und das Bauamt sofort auf die richtige Fährte zu führen.

Nichtsdestotrotz gebe ich Otus völlig Recht, das Ganze nur als Ergänzung.

MfG
Dirk Grafe

P.S.:
Allerdings auch ein schönes Beispiel dafür, dass meine immer wieder aufgestellte These stimmt, dass Höhenangaben wichtig sind. Höhen werden oft als nachrangig/unwichtig eingestuft, Hauptsache der Bau bleibt lagemäßig auf dem Grundstück - aber (mangelhafte) Höhenangaben führen eben auch in langwierige Rechtsstreitigkeiten, wenn damit fahrlässig umgegangen wird. Vor allem ist die Rekonstruktion schwieriger. Die Lage einer Grenze oder eines Baukörpers ist idR immer wieder herzustellen. Eine einmal veränderte Geländeoberfläche ist örtlich nun mal zerstört, nicht rekonstruierbar und dann geht im Prinzip ein Indizienprozess los, der sich auf alte Planungshöhen etc. stützt, die ihrerseits natürlich mit Abweichungen/Ungenauigkeiten behaftet sind.
 
C

cille

Vielen Dank für die schnellen und hilfreichen Kommentare, ich habe sie wohlwollend (mehrmals) gelesen.

Von der Grundstückserschliessungsgesellschaft habe ich lediglich die Erklärung bekommen, dass nach Abschluss der Arbeiten keine finale Dokumentation (also Vermessungen oder Fotos) erstellt wurde. Ich werde noch mal an die Stadt heran treten, ob dort was gemacht wurde.

Glücklicherweise ist mein Vermesser auch der Vermesser, der das Bauvorhaben der Grundstückserschliessungsgesellschaft betreut hat und mein Architekt ist mein Nachbar - der dritte mit dem ich mir den Grenzpunk teil. Er kann auch nicht verstehen, warum die Höhe zwischen den beiden Vermessungen abweicht und versteht auch das Bauamt nicht, warum die sich jetzt so quer stellen.

Wenn ich das oben richtig verstanden habe, dann sollte ich:
1) schon mal einen RA aufsuchen?!
2) den Vermesser mit Prüfung der Sache aufsuchen und den dann auf das Bauamt hetzen?

Nachdem wir ja letzte Woche bei dem Bauamt vorgesprochen haben und die ganzen Punkte vorgebracht haben, hat man uns anschließend gebeten, das alles noch mal schriftlich einzureichen. Die netten Damen waren glaube mit der Sache ein wenig überfordert und haben immer wieder nur gesagt "Habe ich noch nicht gemacht..." oder "Da muss ich mal unsere Rechtsabteilung fragen..."

Also werde ich das alles mal zu Papier bringen und Parallel mit der Stadt und dem Vermesser sprechen...

Danke
Stefan

PS: Kann ich in dem Bauantrag der Grundstückserschliessungsgesellschaft sehen, ob diese dazu verpflichtet war, die beantragten Höhen herzustellen? Also das ich davon ausgehen kann, dass man dieser Pflicht nachgekommen ist?! Ich kann mir immer noch nicht vorstellen, wie man 150 Parzellen ohne abschließende Dokumentation freigeben kann...
 
D

DG

Lass Deinen ÖbVI und Architekt mal die unterschiedlichen Höhen in den Bauanträgen dokumentieren und das Ganze kurz schriftlich kommentieren, ich nehme an, dass sich das Blatt dann sehr schnell wenden wird, wenn es belastbare Anhaltspunkte für eine Fehlplanung des Nachbarn gibt.

Anwalt suchen kann trotzdem angebracht sein, denn Du musst damit rechnen, dass der Nachbar den Klageweg bestreitet, egal ob Du nun Recht hast oder nicht.

Viel Erfolg!
Dirk Grafe
 
Zuletzt aktualisiert 07.05.2024
Im Forum Bauland / Baurecht / Baugenehmigung / Verträge gibt es 3135 Themen mit insgesamt 42388 Beiträgen


Ähnliche Themen
Alle Bilder dieser Forenkategorie anzeigen
Oben