Deutung des Bebauungsplan

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C

Chriju

Hallo liebe Forums-Mitglieder,
mein Man und ich haben ein Grundstück gefunden, dass uns sehr zusagen würde, aber wir sind nicht sicher, ob sich unser Vorhaben dort verwirkliche lässt. Ich bin Psychotherapeutin und wir möchten gerne ein Haus bauen, in dem eine Praxis integriert werden könnte. Das bedeutet konkret: ein Raum mit max 20qm und ein Gäste-WC entweder im Keller oder im EG des Hauses, vom restlichen Wohnraum abgetrennt. Es würde sich um eine Bestellpraxis handeln, d.h. es kommt immer nur ein Patient zu einer Uhrzeit (also es stehen keine 10 Autos von warteten Patienten vor dem Haus).
Das Grundstück liegt auf einem Allgemeinen Wohngebiet, d.h. normalerweisen sind Praxen dort erlaubt, wenn der Wohncharakter des Hauses erhalten bleibt.
Jetzt haben wir den Baubauungsplan angefordert und da steht Folgendes:
1.1 Art der baulichen Nutzung (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 Baugesetzbuch)

1.1.1 Allgemeine Wohngebiete WA 7 und WA 8 (§ 4 Baunutzungsverordnung)

Innerhalb der Allgemeinen Wohngebiete WA 7 und WA 8 sind folgende Einrichtungen, die nach § 4 Abs. 2 Baunutzungsverordnung zugelassen werden können, nach § 1 Abs. 5 Baunutzungsverordnung i.V.m. § 31 Abs. 1 Baugesetzbuch n i c h t Bestandteil des Bebauungsplanes:
 Anlagen für kirchliche, kulturelle, soziale, gesundheitliche und sportliche Zwecke.

Folgende Einrichtungen, die nach § 4 Abs. 3 Baunutzungsverordnung ausnahmsweise zugelassen werden können, sind nach § 1 Abs. 6 Baunutzungsverordnung i.V.m. § 31 Abs. 1 Baugesetzbuch n i c h t zulässig:
 sonstige nicht störende Gewerbebetriebe,
 Anlagen für Verwaltungen,
 Gartenbaubetriebe,
 Tankstellen.


Bedeutet das jetzt, dass eine Praxis nicht möglich ist? Hat jemand mal Erfahrung gemacht mit Ausnahmen vom Bebauungsplan? Wir haben uns schon ans Bauamt gewandt, aber da beantwortet bisher niemand unsere Frage und wir haben Angst, dass uns jemand das Grundstück wegschnappt.

Danke und Gruß,
Chriju
 
B

Bauexperte

Hallo,

Bedeutet das jetzt, dass eine Praxis nicht möglich ist?
Wenn das Alles ist, was im Bebauungsplan ausgeschlossen ist, kann Du Deine Praxis dort betreiben. Es muß jedoch sicher gestellt sein, daß kein Publikumsverkehr - also jede Menge Leute im Wartezimmer und damit viele PkW vor dem Haus - vorherrscht.

Freundliche Grüße
 
C

Chriju

Hallo,
erst mal Danke für die Antwort. Also es wäre definitiv so, wie du geschrieben hast. Es würde ein Patient pro Stunden kommen zu einem festen Termin, also keine wartenden Patienten und damit parkende Autos. Ich bin trotzdem immer noch verunsichert und leider haben wir immer noch keine Rückmeldung vom Bauamt. Ich kopiere hier mal noch einen Auszug aus der "Begründung zum Bebauungsplan" rein:

3.2 Art und Maß der baulichen Nutzung
3.2.1 Art der baulichen Nutzung
3.2.1.1 Allgemeine Wohngebiete
Die Bauflächen innerhalb des Geltungsbereiches werden als Mischgebiete gemäß § 6 Baunutzungsverordnung sowie als Allgemeine Wohngebiete im Sinne des § 4 Baunutzungsverordnung festgesetzt.
Innerhalb der Allgemeinen Wohngebiete WA 7 und WA 8 wurde – in Abweichung zu den Rege-lungen des § 4 Abs. 2 Baunutzungsverordnung – die allgemein zulässige Nutzung Anlagen für kirchliche, kultu-relle, soziale, gesundheitliche und sportliche Zwecke gemäß § 1 Abs. 6 Baunutzungsverordnung ausgeschlos-sen. Zudem wurden – in Abweichung zu den Regelungen des § 4 Abs. 2 Baunutzungsverordnung – die aus-nahmsweise zulässigen Nutzungen sonstige nicht störende Gewerbebetriebe, Anlagen für Verwaltungen, Gartenbaubetriebe sowie Tankstellen ausgeschlossen.
Der Plangeber sah diese Nutzungen in den allgemeinen Wohngebieten aufgrund des zu erwar-tenden Flächenbedarfs, der zu erwartenden Verkehrserzeugung und den damit zum Teil ein-hergehenden Emissionen sowie der zu erwartenden sozialen Auswirkungen (Milieu) als nicht verträglich mit der Zielsetzung an, ein Gebiet mit hoher Wohnqualität für junge Familien und entsprechender Aufenthaltsfunktion des Straßenraums zu schaffen.​

Bleibts bei der Antwort, dass eine Praxis erlaubt wäre? Wenn ja, wie ist das begründet?
Lieben Gruß,
Chriju
 
B

Bauexperte

Hallo,

Hallo,

... Zudem wurden – in Abweichung zu den Regelungen des § 4 Abs. 2 Baunutzungsverordnung – die aus-nahmsweise zulässigen Nutzungen sonstige nicht störende Gewerbebetriebe, Anlagen für Verwaltungen, Gartenbaubetriebe sowie Tankstellen ausgeschlossen.
Der Plangeber sah diese Nutzungen in den allgemeinen Wohngebieten aufgrund des zu erwar-tenden Flächenbedarfs, der zu erwartenden Verkehrserzeugung und den damit zum Teil ein-hergehenden Emissionen sowie der zu erwartenden sozialen Auswirkungen (Milieu) als nicht verträglich mit der Zielsetzung an, ein Gebiet mit hoher Wohnqualität für junge Familien und entsprechender Aufenthaltsfunktion des Straßenraums zu schaffen.​

Bleibts bei der Antwort, dass eine Praxis erlaubt wäre? Wenn ja, wie ist das begründet?
Meine persönliche Meinung: ja.

Mit dem zusätzlichen Ausschluß oben, ist bspw. eine Baumschule oder eine private/öffentliche Verwaltungsaußenstelle gemeint. Allen ist gemein - und seien sie noch so klein - das mehr Verkehr erzeugt wird; außerdem müssen Parkflächen für diese Gewerbe geschaffen werden.

Es ist aber wie immer im Leben: es kommt auf Dein Gegenüber im Bauamt an. Macht diese Person dicht, bist Du Letzte, denn die Formulierungen der Bebauungspläne lassen jede Menge Interpretationsspielraum zu. Ist vergleichbar eines Gerichtsverfahrens: am Ende erhältst Du ein Urteil - selten Recht!

Ich könnte mir vorstellen, dass sich der/die BeamtIN darauf einläßt - wenn es sich dabei um ein denkendes Geschöpf handelt, einen zusätzlichen Stellplatz anzufordern, damit Deine Patienten nicht andere Parkmöglichkeiten im Neubaugebiet belegen. Es liegt nicht zuletzt an Dir, wie Du die Leute im Bauamt ansprichst und Dein Anliegen vorträgst. Hat der/die BeamtIN ausgerechnet die Nacht vorher schlecht geschlafen, kannst Du Dir so viel Mühe geben wie Du willst, es wird Nichts werden.

Also positiv denken und los. Keine Genehmigung hast Du schon - Du kannst nur gewinnen!

Freundliche Grüße
 
Zuletzt aktualisiert 21.07.2025
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