"Nötigt" der Immobilienmarkt immer mehr Familien zum Bauen?

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A

Anoxio

Googelt mal nach den Stichwörtern "sunlicht Institut Karlsruhe haushaltungskurs". Dann mal das pdf anschauen. Ist ein "Haushaltungskurs" aus dem Jahre 1915 - und ich finde, der lehrt Demut! Was damals alles im Haushalt anfiel, war wirklich enorm. Ab pdf-Seite 45 geht es um den Hausbau. Da wurde erst mal empfohlen, eine Notwohnung zu bauen und das dann später aufzustocken. Winzige Räume, aber eben etwas Eigenes.

Gut, winzige Räume muss es heuer nicht mehr haben, aber die Ansprüche Vieler sind auch im Alltag generell heutzutage doch viel größer. Urlaube? Ja, mindestens ein großer pro Jahr. Autos? Möglichst neu. Kleidung? Ja, Marke ist schon wichtig. Beim Hausbau ja auch. Schwiegereltern haben damals selbst mit Freunden gebaut. Da war das Haus noch zwei Jahre unverputzt, ohne Eingangsbereich, auch die spätere Innentreppe hat lang gebraucht. Eingezogen sind sie mit einem alten Sofa und den jeweiligen Jugendbetten. Die Küche gab es zum Einzug als Geschenk der Eltern, sonst hätte die auch noch gedauert. Badfliesen wurden als Hochzeitsgeschenk gegeben. Die Anlage des Gartens hat viele Jahre gedauert; immer, wenn wieder etwas Geld gespart wurde, ging es ins Haus. Urlaube gab es; aber eben keine Flugreisen, sondern wandere- und Skiurlaube in der weiteren Umgebung.

Heute ist das doch fast undenkbar. Wie viele ziehen denn schon in ein Haus ohne Möbel ein? Viele entsorgen ja auch ihre bisherigen Möbel, um sich neu zu möblieren. Kostet viel Geld. Ja und die Einfahrt muss auch sofort gepflastert sein. Garten auch angelegt, was sagen denn sonst die Nachbarn? Sparen geht dann auch eher schlecht. In den Urlaub muss man ja schließlich zum Ausspannen von dem ganzen Stress der Überstunden... Auto darf auch nicht im Freien stehen. Von der Ausstattung des Hauses eh ganz zu schweigen - man baut ja schließlich nur einmal. Und die paar Euro Aufpreis für schickere Fliesen sind doch schnell vergessen. Keramik? Ja, die Linie XYZ ist so schick, ach, die gönnen wir uns. Parkett? Da sollte man schon Gutes nehmen. Fenster? Na, die weißen Kunststofffenster haben uns schon in der Mietwohnung nie gefallen, soll ja nicht billig wirken... Und so weiter. Derweil rattert das Konto fleißig. Leider in die falsche Richtung.
 
Y

Yosan

Irgendwie kann ich diese Eindrücke so mit Blick auf mein Umfeld nicht bestätigen...erst als ich hier ins Forum kam, hab ich das auch so empfunden und mich gefragt, ob ich mich nun schlecht fühlen sollte, dass wir "nur" weiße Kunststofffenster und größtenteils Laminat auf dem Boden nehmen, unsre Möbel mitnehmen werden, der Außenbereich nach und nach schön gemacht werden wird usw....ich hab entschieden mich lieber drüber zu freuen, dass wir ein Haus bauen und stilistisch nach unseren Wünschen umsetzen können, auch wenn es eben "nur" ein Flair ist
 
Nordlys

Nordlys

Du hast recht. Dieses Forum ist nicht erlebte Realität. Es ist eben auch ein Stück Selbstdarstellerschaufenster hier. Die Wirklichkeit ist schlichter, Ikea verkauft mehr Küchen als Schüllermann und Co., das Flair 125 verkauft sich besser als Viebrockhaus Kfw 40+ Paläste, es gibt mehr weisse Plastikhaustüren als graue Aluportale etc. K.
 
B

Bava

Ich denke auch, dass es deutlich günstiger geht als hier oft gepredigt wird. Ich habe ja als Single gebaut. Grundstück war vorhanden und das Haus (im Dreieck München-Augsburg-Ingolstadt, also eher hochpreisig) hat ein gutes Stück weniger als 250 000 € gekostet für ein bisschen über 150 m2. Ich liebe es aber vieles was hier als Standard gilt, habe ich (bewusst) nicht. Ich habe keine Lüftung, da ich die trockene Luft bei Freunden schon nicht ertrage. Ich habe eine Fußbodenheizung mit Luftwärmepumpe, kein Smarthome, weiße Kunststofffenster, Laminatboden, die Fliesen in den WCs sind Restposten vom Fliesenhändler, die Fliesen im Bad sind kleinformatig, die Fliesen im Hauswirtschaftsraum günstig von OBI, die Rollläden im OG werden per Hand bedient, ich habe nur in der Küche Spots über der AP ansonsten klassische Lampen usw. Manche Zimmer sehen auch nach einem Jahr noch etwas leer aus (Teppich oder Bilder fehlen an der Wand, ich habe noch keine "richtige" Garderobe, die alten Schlafzimmermöbel passen nicht richtig), aber da kann man sich ja Zeit lassen, bis man wieder etwas gespart hat. Trotz dieser vermeintlichen "Mängel" liebe ich mein Haus und bin froh nicht diese Summen bezahlt zu haben, die hier oft herumgeistern. Ich denke also nicht, dass Menschen genötigt werden einen Riesenkredit aufzunehmen, sondern, dass man auch deutlich kleinere Brötchen backen kann.
 
T

Thierse

Es sind eher die Kosten ums Haus herum (Erdarbeiten, Aushub, Stellplätze, Stützmauern, Terrassen...) die insbesondere bei Hanglage ganz schön ins Geld gehen können.
 
H

hampshire

@Fummelbrett : Mit Deinen Ausführungen zu den Ansprüchen triffst Du Vieles auf den Punkt. Touché! Wir verlernen unsere Ansprüche zu hinterfragen und messen damit Vielem eine übersteigerte Bedeutung zu.

... mich gefragt, ob ich mich nun schlecht fühlen sollte, dass wir "nur" weiße Kunststofffenster und größtenteils Laminat auf dem Boden nehmen, unsre Möbel mitnehmen werden, der Außenbereich nach und nach schön gemacht werden wird usw....
Du hast allen Grund Dich sehr gut zu fühlen! Es ist recht leicht ein Haus zu bauen, wenn man preislich elastisch ist. Die richtigen Prioritäten zu setzen und sparsam-schlau zu bauen ist viel anspruchsvoller. Im Übrigen sind wir es selbst, die unser Lebensgefühl bestimmen. Ich bin lieber glücklich unter einer Brücke als unglücklich in einem Palast.

Du hast recht. Dieses Forum ist nicht erlebte Realität..
Vieles hier dreht sich um Träume und deren Realisierung. Ich profitiere vom Ideenaustausch und teile meine. Das ist Forumsrealität. Besonders Interessant finde ich den Non-Standard, der ja nicht teurer sein muss als der Standard. Entscheiden kann man am Besten wenn man Alternativen kennt. Wenn die Entscheidung dann nach Abwägung oft für das Bewährte und im Preis-Leistungsverhältnis anerkannt Gute fällt ist das doch klasse. Schade ist es nur, wenn Menschen sich hinterher fragen: "hätte ich gewusst, dass es so etwas gibt, dann hätte...". Aus diesem Blickwinkel freue ich mich über die vielen Ausnahmen, die man in diesem Forum vorgestellt bekommt.
 
Zuletzt aktualisiert 24.04.2024
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