Nachbarschaftliche Belange bei Befreiung von der Grundflächenzahl

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Zuletzt aktualisiert 26.04.2024
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Tassimat

Tassimat

Ich kann Dir keine sachkundige Antwort geben, da fachfremd, möchte Dich und Deine Nachbarn aber dazu ermutigen, mit allen Euch zur Verfügung stehenden Mitteln dagegen vorzugehen. Wenn Ihr das nicht macht, ärgert Ihr Euch vermutlich noch lange darüber; lieber jetzt etwas Stress, als längere Zeit Ärger.
Ja, aber Vorsicht. Der tatsächliche Schattenwurf hängt von der Position des Hauses relativ zum eigenen Garten ab. Möglicherweise ist diese Variante sogar schattentechnisch besser als ein kleineres Haus ein paar Meter weiter versetzt. Oder der 2m hohe Gartenzaun am Hang verdeckt und verschattet alles komplett.

Daher gut informierten was die Sachlage ist und egal was passiert nicht lange drüber ärgern. Die Alternative die man nicht bedenkt könnte noch schlimmer kommen.
 
E

Escroda

Die wichtigste Frage dabei wäre, (1.) ob die Nachbarn bei der Erlaubnis zur Abweichung nach §66 ThüBO Abs.1 gem. den darin „öffentlich-rechtlich geschützten nachbarlichen Belangen“ - die bspw. auch gem. § 31 Baugesetzbuch Abs.2 zu berücksichtigen sind - zu beteiligen sind? Also die Unterschrift erforderlich ist.
Im Crosspost hat Dir ein Bauexperte ja schon den hilfreichen Hinweis auf das Urteil des BVerwG 4 C 7.17 vom 09. August 2018 gegeben. Während das Urteil selbst Dir noch Hoffnung auf Abwehrrechte geben mag, deuten die Leitsätze ja schon an, was die Urteilsbegründung klarstellt: Damit das Maß der baulichen Nutzung nachbarschützende Wirkung entfalten kann, müssen ganz besondere Voraussetzungen vorliegen. Die sehe ich in deinem Fall nicht. Und damit entfällt auch die Verpflichtung der Nachbarbeteiligung nach §69 Thüringer-Bauordnung.
Du müsstest also den nachbarschützenden Charakter der Grundflächenzahl-Festsetzung beweisen, was Dir nicht gelingen wird, da für Dich zum einen ein anderer Bebauungsplan gilt und zum anderen, die von Dir genannten Beeinträchtigungen nur mittelbar mit der planungsrechtlichen Grundflächenzahl zusammenhängen. Unmittelbar beklagst Du den erhöhten Schattenwurf, welcher aber durch die bauordnungsrechtlichen Abstandsflächenvorschriften geregelt ist. Nur wenn hier Fehler bei der Berechnung gemacht wurden oder eine diesbezügliche Abweichung genehmigt wurde, bist Du in deinen Rechten verletzt.
Und (2.) kommt der §17 Baunutzungsverordnung - mit der darin genannten Obergrenze von 0,4 im allg. Wohngebäude. - im Bebauungsplan Gebiet zur Anwendung?
Die Obergrenze gilt ja für die Bestimmung des Maßes der baulichen Nutzung, also für die Planverfasser. Die haben sich aber an die Obergrenze gehalten, da sie ja 0,3 festgesetzt haben. Zur Prüfung, ob ein konkretes Bauvorhaben genehmigungsfähig ist, wird §19 Baunutzungsverordnung herangezogen, der gleich mehrere Überschreitungsmöglichkeiten eröffnet:
... weitere Überschreitungen in geringfügigem Ausmaß können zugelassen werden ...
... Soweit der Bebauungsplan nichts anderes festsetzt, kann im Einzelfall von der Einhaltung der sich aus Satz 2 ergebenden Grenzen abgesehen werden ...

Und damit wären wir bei den vielen offenen Fragen deiner beiden Threads:
Woher weißt Du, was dein Nachbar bauen will, wenn Du nicht beteiligt wurdest?
Woher weißt Du, dass er eine Befreiung erhalten hat?
Woher stammt die Information, dass nun doch nicht nach §31 Baugesetzbuch, sondern nach §66 Thüringer-Bauordnung entschieden wurde?
Die geschilderte Faktenlage erscheint äußerst verwirrend und ungenau. Ein Abweichen von Festsetzungen des Bebauungsplanes, wie z.B. die Überschreitung der Grundflächenzahl, erfordert eine Befreiung nach §31 Baugesetzbuch. Vermutlich liegt daher gar keine Überschreitung vor, sondern lediglich die Inanspruchnahme der zulässigen Überschreitung nach §19 (4) Baunutzungsverordnung. Ebenso eröffnet die Thüringer-Bauordnung gar nicht die Möglichkeit, nach §61 genehmigungsfreigestellt zu bauen, wenn Festsetzungen nicht eingehalten werden sollen, so dass deine Informationen bezüglich des Inhalts der Vorabgenehmigung von Abweichungen (so es sie denn überhaupt gibt) falsch sind.

Versuche erst mal, gesicherte Informationen zur genauen Planung (Lageplan, Ansichten, Befreiungen, Abweichungen) und des Planungsstandes (Bauberatung, Bauvoranfrage, Bauanzeige, Bauantrag, Baugenehmigung) zu erhalten und formuliere mal möglichst genau, in welchen Rechten Du Dich verletzt siehst.
 
S

scooter

@Escroda
Erstmal vielen vielen Dank!

Die Information habe ich als direkter Nachbar aus der zwischenzeitlichen Einsichtnahme der vorab auf Antrag nach §66 Thüringer-Bauordnung erteilten Abweichung von der als „Höchstmaß“ im Bebauungsplan festgesetzten Grundflächenzahl von 0,3. (Meine Annahme der Befreiung hat sich dabei als falsch herausgestellt.)

Dies geschah auf eigene Veranlassung, da der BH das Gelände erhöht hat und 2 Grundplatten sowie 2 Garagen auf beiden Grenzen einschalt.

(Er hat noch keine Baugenehmigung und versucht diese derzeit aufgrund der vorab erteilten Abweichung im einfachen Bauanzeigeverfahren zu erhalten.) (Die Abstandsflächen hält er ein, hat im Antrag der Abweichung aber die Terrasse weggelassen.)

Ich sehe unser Recht darin verletz, dass unsere öffentlich- rechtlich geschützten nachbarlichen Belange gem. Abs.1 §66 Thüringer-Bauordnung nicht ausreichend gewürdigt sind und wir nicht wie in §69 Abs.1 vor Erteilung der Abweichung benachrichtigt wurden. Also auch unsere Unterschrift nicht eingeholt wurde.

Darüber hinaus, sehe ich bei Anwendung des §19BauNVO mit der erteilten Abweichung von +50% => +0,15 = 0,45 die Obergrenze von 0,4 für das Maß der baulichen Nutzung nach §17 für allgemein Wohngebiete, was es gem. Bebauungsplan ist, überschritten. Da dieser im §19 ja nicht ausgeschlossen ist.

Insbesondere weil, erst durch die erteilte Abweichung ein Doppelhaus durch die Größe und damit eine Art Nutzungsänderung der Grundstücksgröße möglich gemacht wurde.

(Unter Anwendung der Grundflächenzahl 0,3 wäre ein normales Haus mit Terrasse, Garage, Zufahrt u. Nebenanlagen, wie in der Nachbarschaft möglich gewesen! Alle Grundstücke sind recht groß. Er hat bereits 2 kleinere nebeneinanderliegende, wo er hätte ein DH bauen können. Hat nun bereits ein Einfamilienhaus auf eines gebaut und möchte auf dem andern noch ein DH errichten und verkauft dann von privat. Wer das möchte muss ein größeres Grundstück kaufen.)

=> Die Grundfläche unseres Hauses - wir wohnen seit 5 Jahren neu gebaut direkt darunter - liegt nun topografisch ca. 2m tiefer als die des BH. Dessen Bebauungsplan später an unseren Bebauungsplan direkt angrenzend geplant wurde.

Wir und unsere Nachbarn, fühlen uns daher aus dem großen Baukörper resultierend beeinträchtigt. Da der Bebauungsplan daher ja auch extra offener (Grundflächenzahl 0,3) gestaltet wurde und sehen die Abweichung („kann“ nicht muss) für unsere direkt angrenzende tiefer liegende Reihe als unangebracht. Das verstößt unserer Auffassung dann auch gegen die Grundzüge der offeneren Planung zum Schutze der tiefer liegenden Nachbarn vor zu dichter Bebauung. Da die Abweichung nun also genau das Gegenteil bewirkt.

Gilt denn die Verschattung – vor dem Amt - überhaupt als Beeinträchtigung? Das wir aber durch den durch die Abweichung möglich gemachten großen Baukörper: 2m tiefer + 9,5m Max. Gebäudehöhe = 11,5m, nun hinter einer breiten Front wie „Gefängnishof“ sitzen, wiegt für uns mind. genauso schwer. Überdies wäre bei Starkregenereignissen durch die erhöhte Versiegelung mit Schäden für uns als tiefer liegende zu rechen.
 
E

Escroda

auf Antrag nach §66 Thüringer-Bauordnung erteilten Abweichung von der als „Höchstmaß“ im Bebauungsplan festgesetzten Grundflächenzahl von 0,3. (Meine Annahme der Befreiung hat sich dabei als falsch herausgestellt.)
Sorry, verstehe ich nicht. Ohne Originaldokument ist das für mich nicht nachvollziehbar. Hast Du die Begründung gelesen?
Er hat noch keine Baugenehmigung
Sofort die Behörde inormieren und zum bauaufsichtlichen Einschreiten schriftlich auffordern.
unsere öffentlich- rechtlich geschützten nachbarlichen Belange
Welche denn? Wie ich bereits erläuterte, gibt es diese in deinem Fall nicht; jedenfalls nicht auf Grundlage der Grundflächenzahl-Festsetzung.
... müssen die Städteplaner beachten, wenn sie einen Bebauungsplan aufstellen. Haben sie gemacht. Also vergiss §17 Baunutzungsverordnung.
Insbesondere weil, erst durch die erteilte Abweichung ein Doppelhaus durch die Größe und damit eine Art Nutzungsänderung der Grundstücksgröße möglich gemacht wurde.
Es gibt für Dich keinen planungsrechtlichen Nachbarschutz außerhalb des Geltungsbereiches "deines" Bebauungsplanes. Und damit auch keine Verpflichtung zur Nachbarbeteiligung bei planungsrechtlichen Befreiungen.
zum Schutze der tiefer liegenden Nachbarn
Woraus leitest Du diese Schlussfolgerung ab? Steht das so in der Begründung zum Bebauungsplan? Dann lohnt der Gang zum Anwalt.
Gilt denn die Verschattung – vor dem Amt - überhaupt als Beeinträchtigung?
Ja, aber als hinzunehmende, wenn die Abstandsflächen-Rechtlichen Bestimmungen eingehalten werden.
Das wir aber durch den durch die Abweichung möglich gemachten großen Baukörper: 2m tiefer + 9,5m Max. Gebäudehöhe = 11,5m, nun hinter einer breiten Front wie „Gefängnishof“ sitzen, wiegt für uns mind. genauso schwer.
Solange das Bauordnungsrecht - hier insbesondere die Abstandsflächen - eingehalten ist, musst Du das akzeptieren.
Überdies wäre bei Starkregenereignissen durch die erhöhte Versiegelung mit Schäden für uns als tiefer liegende zu rechen.
Hypothetische Schäden sind nicht einklagbar. Mache Fotos vom Bestand und fordere Schadenersatz, wenn tatsächlich Schäden entstanden sind.
 
S

scooter

Sorry, verstehe ich nicht. Ohne Originaldokument ist das für mich nicht nachvollziehbar. Hast Du die Begründung gelesen?

->Habe nur den Lageplan mit Flächen gezeigt bekommen.

... müssen die Städteplaner beachten, wenn sie einen Bebauungsplan aufstellen. Haben sie gemacht. Also vergiss §17 Baunutzungsverordnung.

-> Ich meine ja auch bei Erteilung der Abweichung hätten es dann Max. 0,4 sein dürfen?

Es gibt für Dich keinen planungsrechtlichen Nachbarschutz außerhalb des Geltungsbereiches "deines" Bebauungsplanes. Und damit auch keine Verpflichtung zur Nachbarbeteiligung bei planungsrechtlichen Befreiungen.

-> Die Gestze un Bauordnungen beziehen sich doch nicht nur Bebauungsplan Gebiete!?

Ja, aber als hinzunehmende, wenn die Abstandsflächen-Rechtlichen Bestimmungen eingehalten werden.

-> Das macht es nicht besser.

Hypothetische Schäden sind nicht einklagbar. Mache Fotos vom Bestand und fordere Schadenersatz, wenn tatsächlich Schäden entstanden sind.

-> Der BH ist dann weg. Und die Leute die ohne Gewährleistung von privat gekauft haben, möchte man als Nachbarn eigentlich nicht verklagen.
Gibt es denn noch alternative Möglichkeiten?
 
Zuletzt aktualisiert 26.04.2024
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