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Zunächst solltet Ihr den Entwurf radikal zerknüllen. Nicht, weil daran vieles falsch gewesen wäre, aber etwas Entscheidendes: nämlich seine Entstehung. Der Architekt ist (oder Ihr seid mit ihm) zu früh auf die zeichnerische Ebene eingebogen. Was vorliegt, ist nun aufgrund bereits unnütz weit gediehender zeichnerischer Ausdifferenzierung optisch ein Entwurf, hat tatsächlich aber erst Vorentwurfsqualität. Hier wurde mit Vollgas gestartet, das gefährdet die Haltbarkeit jedes Motors. Entwickelt lieber in Clean Code from the Scratch einen neuen Vorentwurf, Patchpatchpatch wäre Flickwerk. Viele Bauherren sind ungeduldig und lechzen gierig nach Visualisierungen, derer ihr degeneriertes räumliches Vorstellungsvermögen so nötig bedarf. „Moderne“ Architekten stellen sich darauf ein, und präsentieren rasch CAD-Zeichnungen. Besser ist jedoch, mit Listen und Serviettenskizzen zu beginnen. Das strapaziert zwar die Laiengeduld, dennoch spielt steriles Besteck eine tragende Rolle für eine gelingende Operation. Hat man zu früh mit dem Zeichnen angefangen, sollte man daher auf keinen Fall auch so weitermachen. Sonst verdirbt auch eine einzelne Schimmelspore die nächste Generation der Joghurtkultur.Ich möchte ja nicht für jede Kleinigkeit bei ihm anrufen, was ich geändert haben möchte oder was noch nicht passt. Naja ich versuche in den nächsten Tagen/ Wochen mal zu sammeln was man sinnvoll über den Haufen schmeißt und was man geändert haben möchte. Gut, dass wir genügend Zeit haben..
Die wichtigste Reifungsphase eines Entwurfes ist die Teigruhe zwischen den HOAI-Leistungsphasen 2 und 3. An diesem Punkt hat man bereits drohende Verstopfung im Ideendarm, weil sich Material für drei Häuser angesammelt hat, aber nur eines gebaut werden kann. Als logische Folge müssen Gedanken im Umfang der zwei überzähligen Häuser entweder friedlich verabschiedet werden, oder sie sorgen über die Dauer des gesamten weiteren Planungsprozesses für Alpträume.Es ist auch garnicht so einfach alle Ideen, und hier echt guten Kritiken, herauszufiltern und diese valide und sinnvoll den Architekten vorzubringen.
Man hat mit dem Ergebnis der Leistungsphase 2 (also dem Vorentwurf nach erfahrener Väter Sitte) auch genau die richtige Grundlage, um dem Bauamt für kleines Geld eine Voranfrage zu stellen und mit drei Steinern und drei Hölzern die Kostenschätzungen zu kalibrieren. Nebenbei stellt man dabei fest, ob eine Verwirklichung ausnahmsweise in einer der Bauweisen signifikant günstiger wäre als in der anderen (daher der Name „Weichenstellung“). Zusätzlich geben die jeweiligen Antworten auf die Frage 2 einen entscheidenden Impuls, ob der Architekt den Entwurf aus dem bisherigen Vorentwurf entwickeln oder einen bewährten Gegenvorschlag für die Baufamilie anpassen sollte.
Die idealerweise etwa sechswöchige Teigruhe ist daher die klügste Investition des ganzen Planungsprozesses. Wer im dritten Gang anfährt und die Vorentwurfsentwicklung überspringt, bringt sich um wertvolle Erkenntnisse, legt ganz nebenbei den Grundstein für vermeidbaren Ärger und läßt jede Menge Nerven auf der Strecke. Aus meiner bescheidenen Sicht als freier Bauberater ist das ein sehr hoher Preis für den schnellen Weg zu 3D-Zeichnungen.