Geschossflächenzahl lt. Baunutzungsverordnung 1990 OK aber lt. 1977 nicht OK. Was tun?

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Chris.D

Hallo zusammen,

Ich brauche euren Rat bei einem Neubau-Vorhaben in BW. Wir haben ein Problem mit der Geschossflächenzahl Geschossflächenzahl, die lt. Bebauungsplan mit 0,6 angegeben ist. Das geplante Haus (Doppelhaushälfte) hat Keller, 2 Vollgeschosse (EG und OG) und ein Dachgeschoss DG. Im EG ist Wohn/Koch/Essbereich. Im OG sind Kinder, Gästezimmer und Bad. Im DG ist der Elternbereich mit Schlafzimmer, Ankleide und Bad. Wir haben einen Architekten mit der Bauantrags-Einreichung beauftragt. Das Grundstück und das Hauskonzept waren bei Beauftragung dem Architekten bekannt. Zieht man für die Berechnung der Geschossflächenzahl die aktuelle Baunutzungsverordnung 1990 an, werden nur die beiden Vollgeschosse berücksichtigt, nicht das DG. So ergibt sich eine Geschossflächenzahl 0,57, also OK. Nun hat der Architekt kurz vor Bauantrags-Einreichung festgestellt, dass wir die Geschossflächenzahl Geschossflächenzahl überschreiten, weil im Bebauungsplan die Baunutzungsverordnung von 1977 herangezogen ist. Diese besagt, dass für die Berechnung die beiden Vollgeschosse herangezogen werden müssen und darüber hinaus „Die Flächen von Aufenthaltsräumen in anderen Geschossen einschließlich der zu ihnen gehörenden Treppenräume und einschließlich ihrer Umfassungswände sind mitzurechnen.“ Das bedeutet im Klartext, ich muss die Räume im DG mitzählen und mit dieser Berechnungsweise kommen wir auf eine Geschossflächenzahl von ca. 0,73, was das Bauvorhaben in dieser Form eig. unzulässig macht.
Nun möchte der Architekt die Räume im DG für den Bauantrag als Sauna, Galerie und Hobbyraum bezeichnen, also zu "Nebenräumen" machen, die nicht dauerhaft genutzt werden. Die Räume erfüllen aber alle Anforderungen an Aufenthaltsräume, also ausreichend Höhe und Fensterflächen und auch Fluchtwege sind eingeplant.
Ich habe Bedenken, dass sich die Gemeinde und das Baurechtsamt nicht durch die bloße Deklaration als Nebenräume darauf einlassen und den Antrag ablehnen. Dazu habe ich folgendes gefunden:
Führt die objektive Eignung eines Raumes zur Zuordnung als Aufenthaltsraum, weil die an einen Aufenthaltsraum zu stellenden Anforderungen erfüllt sind, ist eine etwaige abweichende subjektive Zweckbestimmung als Nebenraum unerheblich. Aus § 2 Abs 7 Landesbauordnung (Bauordnung BW) folgt nichts anderes.
Quelle: Landesrecht BW Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg 3. Senat | 3 S 1437/99 | Urteil | Abgrenzung eines Nebenraums von einem Aufenthaltsraum | Langtext vorhanden (landesrecht-bw.de)

Auch sagt Wikipedia:
Nach der Rechtsprechung[2] sei ein Raum bereits als Aufenthaltsraum anzusehen, wenn dieser objektiv für einen nicht ganz kurzen Aufenthalt, sei es auch nur tagsüber und in der warmen Jahreszeit, geeignet ist.[3]
Quelle: Aufenthaltsraum – Wikipedia

Mindestens das Schlafzimmer ist nach dieser Definition eindeutig als Aufenthaltsraum erkennbar, was zur überschreitung der Geschossflächenzahl führt.

Die Fragen, die ich mir jetzt stelle, sind:
- Welche Auswirkungen hat das auf die Nutzung/rechtlich/Versicherungstechnisch für das Gebäude wenn wir Nebenräume offensichtlich als Aufenthaltsräume nutzen.
- Bekommen wir die offizielle Nutzung nachgenehmigt?
- Wie wirkt sich das auf die Wohnfläche aus?
- Was passiert z.B. bei einem Brandfall? Wenn wir den Raum als Schlafzimmer nutzen.
- Wie wirkt sich nicht genehmigte Wohnfläche auf den Wiederverkaufswert aus?
- Was sagt die Bank dazu, wenn sie als Sicherheit deutlich weniger genehmigte Wohnfläche als besprochen bekommt?
- Unser Architekt sagt, es wird als "Wohn-Nutzfläche" deklariert. Mir ist das nicht bekannt, ich kenne nur entweder Wohnfläche oder Nutzfläche.
- Habe ich ggü. dem Architekten Ansprüche?

Was denkt ihr darüber bzw. würdet ihr Vorschlagen?

Danke euch!
 
N

nordanney

Was denkt ihr darüber bzw. würdet ihr Vorschlagen?
Gar keine Gedanken machen, sondern zum Telefon greifen (oder durch den Architekten greifen lassen) und mal mit dem Bauamt reden. Aber das habt Ihr bestimmt schon gemacht, oder? ;)
Oder vielleicht einen Schritt weiter gehen und eine kurze Bauvoranfrage stellen. Verstehe gerade Eure Panik nicht. Redenden Menschen kann geholfen werden und im Bauamt sitzen tatsächlich auch Mensch aus Fleisch und Blut, mit denen man reden kann. Die beantworten sogar Fragen!
Ach ja, man kann übrigens auch eine Befreiung beantragen.
 
cip&ciop

cip&ciop

Ich schließe mich @nordanney an und würde mich ebenfalls ans Bauamt wenden oder eine kurze Bauvoranfrage stellen. Da findet sich, denke ich, eine Lösung.
 
11ant

11ant

Nun hat der Architekt kurz vor Bauantrags-Einreichung festgestellt, dass wir die Geschossflächenzahl Geschossflächenzahl überschreiten, weil im Bebauungsplan die Baunutzungsverordnung von 1977 herangezogen ist.
Was ist das denn für ein Pflaumenaugust ? - egal, worauf der Plan Bezug nimmt oder nicht, es gilt immer der Rechtsrahmen aus der Zeit, wo der Plan rechtskräftig wurde. Spätere Vergünstigungen sind kein Freibrief, man nimmt nicht automatisch daran teil, aber sie weisen auf gute Chancen für einen Befreiungsantrag hin. Dennoch schuldet ein Architekt eine genehmigungsfähige Planung, bei der er Ausnahmen nicht fest einkalkulieren sollte. Als die Mode des gefühlten Grundrechts auf Schlampigkeit aufkam, waren anfangs die Akademiker noch vom alten Schlag - das scheint sich inzwischen zu "lockern" :-(
 
Zuletzt aktualisiert 23.04.2024
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