@Scout
Da ich ja gerne darüber nachdenke, wenn man mir etwas sagt wollte ich mich auch selbst mal überprüfen, ob mich meine Erinnerung denn tatsächlich derart getäuscht hatte.
Wiki schreibt z.B. zu "Anwerbepolitik der BRD" von 1955 bis sogar ins Jahr 1973 lief und dann lediglich aufgrund der Ölkrise durch Willy Brandt beendet wurde. Noch 1968 wurde ein zusätzliches Abkommen mit Jugoslawien unterschrieben, also 3 Jahre nach den von Dir genannten Fertigstellungsdatum unserer netten Republik.
Liest man weiter so wird deutlich, dass die Leute überwiegend für unangenmehme Tätigkeiten rekrutiert wurden, die -ich zitiere- der "deutsche Michel" nicht gerne selbst machen wollte bzw. zu einem Niedriglohn, den ein deutscher Arbeiter nicht akzeptiert hätte. Letztlich waren es offiziell 14 Millionen!!! Gastarbeiter (alleine die offiziellen Zahlen) und dies nur für bestimmte Bereiche/Tätigkeiten, nämlich insbes. Schwerindustrie, Autobau, Tagebau etc.; Nutznieser waren dabei wohl insbesondere die betreffenden Konzerne.
Insofern frage ich mich schon, was denn heute anders wäre oder damals gewesen wäre, wenn diese 14 Millionen Arbeiter verteilt über diese 18 Jahre nun nicht da gewesen wären, wer es dann getan hätte oder ob es überhaupt so passiert wäre? Nicht gerechnet ist ja die Schwemme von Bauarbeitern, die seit Jahrzehnten und bis heute unser Bauwesen mit am Laufen hält. Ich war auch in den 80ern oft auf Großbaustellen und meine Muttersprache war da eher selten zu hören.
In einem weiteren Bericht war zu lesen, dass Deutschland schon immer große Zahlen von Gastarbeitern ins Land geholt hatte, vor dem ersten Vertrag 1955 nannte man es eben Fremdarbeiter, aber da wraen sie schon lange vor 1955.
Letztlich war es eine durchgehende Abfolge Zwangsarbeiter bis 1945) danach Fremdarbeiter und ab 1955 dann eben vertraglich geregelt als sog. Gastarbeiter. Die Kultur des Heranholens von billigen Arbeitskräften gibt es also schon lange, was ja an sich nicht verwerflich sein muss aber genannt und geschätzt werden sollte auch diese Leistung eben schon und nichtn nur die Eigene.
Insofern hat mich Dein Kommentar dazu bewegt, mich damit einmal wieder etwas näher zu beschäftigen und so manche der vielfältigen Wissenslücken zu schließen. Ergo bleibe ich aufgrund dem dazu Gelesenen bei meiner Position, dass es eben beim besten Willen nicht so war, wie Du es mMn leicht abschätzig beschreibst, da die belastbaren Zahlen und Fakten hierzu eine andere Sprache sprechen.
Ich lebe am liebsten in Deutschland, ohne mri aber einen Zacken aus der Krone zu nehmen bin ich mir aber genauso bewusst bin, dass viele Andere dabei mitgeholfen haben, damit wir heute da stehen, wo wir stehen.
ich hatte mich in erster Linie auf dein "Deutsche doch wieder mal Alles ganz alleine aufgebaut haben wollen, ohne fremde Hilfe. " bezogen. Und festgestellt, dass die fremde Hilfe marginal gewesen war!
In Bezug auf die neben Pforzheim am schlimmsten zerbombte Stadt Würzburg kann ich auch mit persönlichen Geschichten aus der weiteren Familie dienen: Im März 1945 zu fast 95% zerstört. Verwandte wurden dann von den Amerikanern zwangsrekrutiert(!) zum Trümmer räumen. Schnell und billig wurde dann wieder gebaut. Sandstein für die repräsentativeren Gebäude kam u.a. aus Steinbrüchen nähe Marktheidenfeld wo andere Verwandte arbeiteten.
Das waren fast nur Frauen, alte und versehrte Männer! Fremdarbeiter? Iwo! Die vertriebenen Schlesier und Pommern, zwangseinquartiert in den Häusern der Verwandten wurden vielleicht von manchen als "Fremde" bezeichnet.
Das Wirtschaftswunder begann 1950. Ende der 50er standen wieder mehr als 80% der Altstadt und der angrenzenden Stadteile. Einige weniger Baulücken gab es noch, die dann bis auf extreme Ausnahmen bis in die 70er geschlossen wurden. Aber wie gesagt, das waren in den 60ern und 70ern keine 20% mehr. Gastarbeiter hatten anfangs auch sehr schnell rotiert, die Dauer der Arbeitseinsätze war auf 2 Jahre limitiert, viele hatte es auch schon früher wieder nach Hause getrieben. Es waren also in Summe(!) 14 Millionen von 1955 bis uptodate(?Du hast keine Quelle genannt).
Am "Wiederaufbau", der größtenteils in den 50ern stattfand, waren also marginal Gastarbeiter beteiligt gewesen. Die Außenbezirke, in die Arbeiter nun dank Wirtschaftswunder vorhandenen Motorräder und später auch Autos gelangen und so den beengten Innenstädten entkommen konnten, boomten dann seit Ende der 50er. Dort wurde jetzt auch viel gebaut, die Städte wucherten ins Umland und gemeindeten wieder viel ein. Diese Vorstädte (aus Sicht der Altstadt-Bewohner) wurden nun zu einem immer größeren Teil von Gastarbeitern mitgebaut. Aber das versteh ich auf keinen Fall als "Wiederaufbau". Dat Dingens ist Neubau! Der "Wiederaufbau" war da wie gesagt zum allergrößten Teil schon durch.
Und in deiner Betrachtung kommt anscheinend nur der Westen vor. Erste Gastarbeiter gab es im Osten erste Mitte der 60er und auch immer in deutlich geringerer Zahl (absolut wie relativ) als im Westen. Dort war die Beteiligung am "Wiederaufbau" also nochmals geringer.
Der von dir erwähnte "Niedriglohn" war für einen Portugiesen, Italiener oder Türken damals übrigens sehr viel Geld. Und überhaupt Geld, wenn die Alternative Arbeitslosigkeit geheißen hätte. Im Gegensatz zu Kriegsgefangenen wurde auch niemand dazu gezwungen. Vielen diente das ersparte dann auch als Sprungbrett für ein Geschäft oder den Hausbau in der Heimat.