Aufstocken - Statik fraglich

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L

Lucky7

Hallo zusammen,
mein Lebensgefährte und ich sind zur Zeit am überlegen, wie unsere zukünftige Wohnsituaton aussehen soll.
Hierbei kam dann der Gedanke auf, ob nicht eine Aufstockung meines Elternhauses eine günstige Möglichkeit wäre ausreichend Wohnraum zu schaffen. Wir haben uns daraufhin beim Bauamt erkundigt, ob das möglich wäre. Ein Vollgeschoss ist laut Bauamt nicht zulässig, jedoch kommt eine Kniestockerhöhung in Frage.
Das Haus wurde ursprünglich als Bungalow geplant, musste jedoch aus baurechtlichen Gründen dann mit Satteldach gebaut werden.
Ob nun eine Aufstockung bautechnisch möglich ist und ob diese in einem für uns finanzierbaren Rahmen liegt, würden wir nun gerne von einem Architekten oder Bauunternehmen prüfen lassen. Mit welchen Kosten muss man für einen solchen Kostenvoranschlag rechnen?

Da wir komplette Laien sind und uns noch nicht intensiv mit dem Thema beschäftigt haben, würden wir uns über ein paar Tipps sehr freuen.

LG Lili
 
wpic

wpic

Bei der Beauftragung eines Architekten sind das die Leistungsphasen 1+2 (Grundlagenermittlung + Vorentwurf) nach der HOAI (Honorarordnung für Architekten und Ingenieure) mit 2+7 = 9% vom Gesamthonorar. Das Architektenhonorar wird nicht frei verhandelt, sondern ist an die HOAI gebunden.

Das Honorar berechnet sich nach den sog. anrechenbaren Netto-Baukosten (Kostengruppe 300+400 Bauwerk + Technische Ausrüstung), der Honorarzone, dem Umbauzuschlag, den Nebenkosten, der Mehrwertsteuer. Je umfangreicher der Bearbeitungsumfang wird, desto teurer die sog. Baunebenkosten (Baunebenkosten), zu denen u.a. das Architektenhonorar gehört. Weitere Baunebenkosten sind die Honorare für den Statiker, eventuell noch der Vermesser etc. Die Baunebenkosten machen beim Bauen im Bestand insgesamt (nicht nur für den Architekten) ca. 18-22% der Brutto-Baukosten aus.

Der Architekt erstellt nach Absprache mit Euch einen Vorentwurf (Max. 3 Varianten inkl.) und eine Kostenschätzung dazu, mit der Ihr in die Finanzierungsüberlegungen bzw. Finanzierungsverhandlungen mit der Bank treten könnt. Der Architekt klärt auch all die Bau- und planungsrechtlichen Fragen ab, die immer mit einem Bauvorhaben verbunden sind. Der Architekt liefert Euch eine genehmigungsfähige Vorplanung/Planung im Rahmen Eures Budgets.

Eine Aufstockung ist generell lohnenswert, wenn der Bestand eine ausreichende Statik und eine verwendbare Rohbaukonstruktion hat. Bungalows aus den 50er/60er Jahren sind da i.d.R. ganz gut geeignet, obwohl meistens recht sparsam gebaut. Wenn das Bungalow ein Fertighaus ist, wäre ich eher skeptisch.
 
B

Bauexperte

Guten Abend Lilli,

Ob nun eine Aufstockung bautechnisch möglich ist und ob diese in einem für uns finanzierbaren Rahmen liegt, würden wir nun gerne von einem Architekten oder Bauunternehmen prüfen lassen. Mit welchen Kosten muss man für einen solchen Kostenvoranschlag rechnen?
Will hat Dir schon den Weg aufgezeigt, welcher bei Einzelvergabe via Architekt gegangen werden muß. Ich möchte Dir empfehlen, etwas anders vorzugehen.

Eine Bestandsimmobilie aufzustocken, "kann" etwas mit der berühmten Büchse der Pandora gemein haben, kann ebenso auch recht einfach zu händeln sein. (Du schreibst leider nicht, wie groß der Bungalow ist und wie der mögliche Raumgewinn aussehen kann). Dies zu prüfen können die alten Unterlagen - soweit vorhanden - genutzt werden; wenn nicht, muß ein Statiker herauskommen und sich die Bestandsimmobilie anschauen. Es sollte imho auch ein SV - im Mindesten aber ein Zimmermann) hinzugezogen werden, der das Dach und dessen Aufbau beurteilen kann; ggf.. kann dieser Aufbau nebst Dachpfannen wieder genutzt werden. Einen Statiker zu beauftragen kostet Geld; der Zimmermann kommt vmtl. im Rahmen eines Angebotes umsonst auf die Baustelle.

Bevor Du und Dein Lebensgefährte sich daher intensiv mit einer möglichen Aufstockung beschäftigen, solltet ihr einen Finanzierer eures Vertrauens aufsuchen und eure finanziellen Möglichkeiten besprechen. Erst, wenn ihr genau wißt, was ihr in die Hände nehmen könnt, wißt ihr sicher, ob das Projekt - jedenfalls von monetärer Seite betrachtet - in Angriff genommen werden kann. Ist eine Summe "x" bekannt, geht zum Architekten oder BU (mit nachweislichen Referenzen in der Sanierung) und stellt euer Projekt vor. Bittet um ein Angebot, basierend auf dem Fall, daß eine Aufstockung möglich ist; laßt euch zusätzlich Werte benennen, für den Fall, daß der Bungalow "etwas" statische Nachhilfe braucht.

Erst, wenn ein verbindliches Angebot, auch 2 (beim Architekten _vor_ Gesprächsbeginn klären, ob die Erstberatung kostenlos ist; ansonsten habt ihr einen Vertrag geschlossen, wenn ihr im guten Glauben bspw. sagt "machen Sie mal) oder 3 vorliegen, wißt ihr in etwa, wo die Reise hingehen kann. Wißt, ob ihr das BV stemmen könnt und könnt eine finale Entscheidung treffen.

In diesem Zusammenhang - falls und wenn das BV in Angriff genommen wird, geht vorher zum Steuerberater/Notar und klärt die rechtliche Situation für euch beide; ihr seid nicht verheiratet

Liebe Grüsse, Bauexperte
 
L

Lucky7

Danke für die tollen Ratschläge. Für einen Laien ist die Informationsflut im WWW doch etwas undurchsichtig.

Eben genau wegen "Pandoras Büchse" haben wir ja Sorge schon tausende Euro (mehr als 2500) in einen Architekten/Statiker zu investieren und dann erst zu erfahren, dass das Projekt unseren Rahmen sprengt. Nach euren Antworten und meinen Recherchen müssten die LP 1-2 ja dann och ungefähr im Rahmen liegen.

Mein Großvater hat das Haus Anfang der 70er entworfen und gebaut. Die Wohnfläche beträgt 140 qm und das Haus ist teilunterkellert. Die Aufstockung dürfte also faktisch 105 qm nicht übersteigen, wobei meines Wissens jedoch die qm bei Dachschrägen nicht voll angerechnet werden oder? Bauplan mit Statik ist noch vorhanden. Mein Vater bezweifelt, dass eine Aufstockung ohne zusätzliche Verstärkung möglich ist. Die Dachkonstruktion kann so höchstwahrscheinlich nicht weiterverwendet werden.
Uns ist also klar, dass es mit ein paar 10.000 Euro nicht getan ist. Da aber hier in der Gegend Grundstücks- und Immobilienpreise sehr hoch sind und unser Budget deutlich sprengen würden, hoffen wir dass es evtl. so möglich ist. Mir ist es wichtig, mit Blick auf die Zukunft und evtl. Hilfsbedürftigkeit im Alter, in der Nähe unserer Eltern zu bleiben, daher unser Dilemma.

Bzgl. des finanziellen Rahmens haben wir für uns schon ein maximales Limit überlegt, welches wir mit einem Puffer von 50.000 Euro für die Planung angeben wollen.
Eigenkapital wäre danach je nach tatsächlicher Endsumme ca. 15-25%. Das fragliche Haus ist bisher nicht mit einem Kredit/Darlehen belastet.

Nächste Schritte wären jetzt also, wenn ich das richtig verstanden habe, Finanzierung mit Eltern und Bank abzustimmen und dann mit einer konkreten Summe zum Statiker, bzw. Architekten(bei dem darauf achten wie Beratung vergütet wird) zu gehen.

Das hat uns wirklich sehr weitergeholfen. Danke!

Lg Lili
 
D

Doc.Schnaggls

Hallo Lili,

worüber Ihr Euch auch im Vorfeld Gedanken machen solltet ist die Absicherung des erforderlichen Darlehens.

Üblicherweise erfolgt eine solche Absicherung durch eine Grundschuld. So wie sich das bisher liest, gehört das bisherige Gebäude samt Grundstück Deinen Eltern.

Somit müsste die Absicherung auch durch die Eltern erfolgen, außer Ihr wandelt das Haus nach dem Umbau in zwei rechtlich getrennte Eigentumswohnungen um und gründet somit eine WEG.

Selbst wenn die Eltern bereit wären, die Grundschuld eintragen zu lassen bestehen, meiner Meinung nach, mindestens zwei Risiken:

1. Wenn Ihr, aus welchen Gründen auch immer, die Finanzierung nicht mehr bedienen könnt und es zur Zwangsversteigerung kommt, verliert nicht nur Ihr Eure Wohnung, sondern auch Deine Eltern. Dieses Risiko könnte jedoch durch ein lebenslanges Wohnrecht (eingetragen im Grundbuch) für Deine Eltern in Ihrer Wohnung begrenzt werden. Allerdings mindert so ein Wohnrecht auch den Beleihungswert nicht unerheblich.

2. Rechtlich gesehen gehört Euch (also Deinem Partner und Dir) in dieser Konstellation rein gar nichts. Somit muss zumindest beachtet werden, dass irgendwann einmal die ganze Immobilie erbschaftssteuerpflichtig werden kann. Eventuelle Streitigkeiten innerhalb der Familie mal ganz außen vor gelassen.

Daher wäre meine Empfehlung auf jeden Fall die reale Aufteilung in zwei Wohnungen und die Gründung einer WEG.

Grüße,

Dirk
 
wpic

wpic

Hallo Lili,

ich ergänze meinen Beitrag, auch in Bezug zu Bauexperte´s Vorschlag: Bauen im Bestand ist eine andere Sache als ein Neubau auf der "grünen Wiese". Zu einem solchen Bauvorhaben im Bestand gehört immer eine möglichst detaillierte Bauaufnahme, bei der der Erhaltungszustand und die Verwendbarkeit der Bausubstanz, eventuelle Bauschäden und die Bau- und planungsrechtliche Situation untersucht werden.
Zudem muß immer ein Bauaufmaß und die Anfertigung aktuelle Bestandspläne durchgeführt werden, da die alten Bauantragsunterlagen, sofern vorhanden, nie den aktuellen Bauzustand darstellen.
Diese Voruntersuchungen leistet ein Architekt, ggf. auch unter Beteiligung eines Statikers.

Die Wiederverwendbarkeit von Bauteilen/Baustoffen sollte realistisch betrachtet werden: Sehr seltene, alte Baustoffe können ausgebaut, gereinigt und für die Wiedereinbau vorbereitet werden. Es lohnt sich meistens nicht. Ein alter Dachstuhl aus den 70ern und eine Pfannendeckung haben keine Wert, der den Aufwand der Aufarbeitung rechtfertigt. Mit der Wiederverwendung alter Baustoffe, die ja keinen gängigen Normen entsprechen, geht der Planer auch ein Risiko -sein Risiko- ein.

Diese Voruntersuchungen kosten Zeit und Geld, sind aber eine wesentliche Voraussetzung für einen Bauprozess, der möglichst frei von Überraschungen bleiben sollte. Die sind nie auszuschließen, aber die Büchse der Pandora kann klein gehalten bleiben. Handwerker sind keine Planer und kostenlose Angebote ersetzen keine Fachplanung. Bauvorhaben, die so geplant und begonnen wurden, enden nicht selten in einer organisatorischen Sackgasse mit sehr unbefriedigendem Ergebnis. Ich habe in den letzten 5 Jahren bei Bauberatungen 3 solcher Bauvorhaben erlebt, die auf diese Art "gegen die Wand gefahren" worden sind. Und auch das hat Geld gekostet.

Ich empfehle Dir, mit einem altbauerfahrenen Architekten einen solchen Bauberatungstermin vor Ort zu vereinbaren, von ihm die Situation grundsätzlich einschätzen zu lassen und anhand der vorhandenen Unterlagen einen ersten, überschlägigen Kostenrahmen benennen zu lassen. Ggf. könnt Ihr dann mit einer detaillierteren Kostenschätzung nebst Flächenberechnungen und einer Skizze des grundsätzlich möglichen Ausbaus zur Finanzierungsberatung. Eure Herangehensweise und die finanziellen Randbedingungen sind, soweit beschrieben, realistisch.

Die Anmerkungen von Dirk sind ebenfalls wesentlich und gehören im Vorfeld beachtet.
 
Zuletzt aktualisiert 20.04.2024
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